Millionen – Verluste für Kommunen

KStA und Kölnische Rundschau 14.10.2017

Millionen-Verluste für Kommunen

VON MICHAEL SCHWARZ

Verwaltungen wollten mit Swap-Geschäften Zinsen sparen, doch dann kam es ganz anders

Kreis Euskirchen. Nun also auch Weilerswist. Einstimmig hat der Gemeinderat am Donnerstag in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen, einen Vergleich mit der Ersten Abwicklungsanstalt (EAA), dem Rechtsnachfolger der West LB, im Zusammenhang mit den für die Kommune verlustreichen Swap-Zinsgeschäften zu schließen. Andere Kommunen im Kreis – etwa Schleiden und Bad Münstereifel – haben ähnliche Vergleiche abgeschlossen. “Das vor dem Landgericht Düsseldorf anhängige Gerichtsverfahren ist damit erledigt”, teilt die Weilerswister Gemeindeverwaltung in einer Pressemitteilung mit.

Dieser Beschluss dürfte die Steuerzahler viel Geld kosten. Über den Betrag haben die Beteiligten Stillschweigen vereinbart. Inoffiziell ist im Fall Weilerswist von drei Millionen Euro die Rede, die die Gemeinde bis Ende Oktober an die EAA überweisen muss.

Wie kam es zu den Swap-Geschäften?

Bereits zu Beginn der 2000er Jahre kamen viele Kommunen mit dem Geld nicht aus. Kredite waren nötig, um den kommunalen Laden am Laufen zu halten.

Da traf es sich offenbar gut, dass unter anderem die damalige West LB Angebote zur Zinsoptimierung machte. Sowohl das NRW-Innenministerium als auch die Finanzagentur des Bundes und die Gemeindeprüfungsanstalt hätten empfohlen, sich damit zu befassen, heißt es in der Mitteilung der Gemeinde: “Die West LB hatte sich verpflichtet, ,ausschließlich zum Zwecke der Absicherung von wirtschaftlichen Risiken, die dieser (der Gemeinde) durch Kreditaufnahmen oder Kapitalanlagen entstanden sind, entstehen oder entstehen werden’, Angebote zu unterbreiten.”

Und weiter heißt es in der Erklärung der Gemeinde Weilerswist: “Nach Abschluss eines entsprechenden Rahmenvertrages wurden, in Abstimmung mit der Kreissparkasse Euskirchen, verschiedene Swap-Geschäfte mit der WestLB vereinbart.”

Wie lief das Geschäft für die Kommune?

Zunächst ganz gut. Bis 2009, so ein Verwaltungsmitarbeiter in der Ratssitzung am Donnerstagabend, habe die Gemeinde einen finanziellen Vorteil von rund 400 000 Euro durch die Swap-Geschäfte erlangt.

Dann allerdings ging es steil bergab. “Die Geschäfte”, so die Verwaltung in ihrer Pressemitteilung, “erwiesen sich in der Folgezeit zum Teil als überaus verlustreich.”

Wie hoch ist der Schaden?

Das ist derzeit schwer zu ermitteln. Im Dezember 2016 wurden die Verluste in einer Sitzung des Gemeinderates von der Verwaltung auf einen Betrag zwischen 12,4 Millionen und 19,5 Millionen Euro beziffert, sofern die Bank vor Gericht Recht erhalte. Insofern könnte ein Vergleich für die Kommune um einiges günstiger sein.

Durch die Swap-Geschäfte, die auf mathematisch hochkomplexen Formeln basieren, wollten die Kommunen für sie günstige Zinskonditionen für ihre langfristigen Darlehen erreichen. Statt der variablen und mitunter heftigen Schwankungen unterworfenen Zinsen wurden ihnen feste Zinszahlungen angeboten. Im Falle steigender Zinsen hätte die Kommune profitiert, da aber das Zinsniveau stark sank, die Kommune aber an den höheren Festzinssatz gebunden war, summierten sich die Verluste.

Wie versuchten die betroffenen Kommunen, aus dem Geschäft herauszukommen?

Sie klagten gegen die West LB beziehungsweise die EAA. Diese, so der Vorwurf, habe die Kommunen falsch beraten. Das sahen dann auch die Gerichte so, wie die Anwälte der Gemeinde im Rat erklärten. Die West LB habe in den Beratungen den sogenannten negativen Marktwert nicht beziffert – eine eingepreiste Gewinnmarge für die Bank. Also klagten viele betroffene Kommunen gegen die Bank – unter anderem auch die Gemeinde Weilerswist. ” Ziel dieser Klage war es, von den Verpflichtungen aus den abgeschlossenen zinsoptimierten Swap-Geschäften befreit zu werden”, so die Gemeindeverwaltung: “Auf Vorschlag des Landgerichts wurden zwischen den Parteien Vergleichsverhandlungen geführt, die jetzt zum Abschluss kamen.” Die EAA, so die Gemeindeverwaltung weiter, werde sich im Rahmen des Vergleichs angemessen an den Verlusten der Gemeinde Weilerswist aus diesen Geschäften beteiligen.

Warum geht die Gemeinde den Vergleich ein, obwohl Gerichte bescheinigten, dass die Kommunen falsch beraten wurden?

Weil die Verjährung für fahrlässig falsche Beratungen bereits nach drei Jahren eintritt. Die Gemeinde liefe also Gefahr, einen Prozess zu verlieren. “Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen und in anderen Ländern haben eigentlich recht bekommen, wurden aber durch eine Verjährung an der Durchsetzung ihrer Ansprüche möglicherweise gehindert”, erklärte der Anwalt der Gemeinde, Dr. Jochen Weck von der renommierten Kanzlei Rössner Rechtsanwälte, am Donnerstag in der Ratssitzung.

Ein Vergleich ist dann geboten, wenn beide Seiten ein Rechtsrisiko haben.

Wo liegt das Rechtsrisiko der EAA?

Wie Rechtsanwalt Georg Jäger, ebenfalls von der Kanzlei Rössner Rechtsanwälte, erklärte, sei es ja nicht ausgeschlossen, dass irgendwer nachweist, dass die Beratungen nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich falsch vorgenommen worden seien. Dann gelte die Verjährungsfrist nicht. Zwar sei das unwahrscheinlich, aber für die EAA bestehe ein Restrisiko, das mit einem Vergleich beseitigt würde.

Welche Schuld trägt der Gemeinderat?

Die SPD-Fraktion stellte klar: Der Rat sei nicht vor 2009 über die Swap-Geschäfte, die die damalige Verwaltungsspitze 2005 und 2006 abgeschlossen habe, informiert worden. Erst 2009 hätten die Ratsmitglieder von den Zinsderivatgeschäften erfahren. Nach Beratung durch Experten der Bank sei man davon ausgegangen, dass die Geschäfte rechtens gewesen seien. CDU-Fraktionschef Hans Peter Nußbaum erklärte am Donnerstag: “Ich wehre mich dagegen, dass Ratsmitglieder in der Öffentlichkeit als Zocker tituliert werden.” Auch Bürgermeisterin Anna-Katharina Horst (parteilos) stellte klar: “Den Rat trifft keine Schuld.”

Anwalt Dr. Jochen Weck fügte hinzu: “Die Kommunen haben nicht gezockt. Sie sind abgezockt worden.” Städte und Gemeinden seien damals sehr beliebte Kunden bei den Banken gewesen. Er nannte auch den Grund: Eine Kommune könne nicht pleitegehen, der Steuerzahler stehe schließlich hinter der Kommune. “Die Kommunen waren beliebte Opfer, weil die Bank kein Risiko eingeht”, so Weck weiter.

Ist die leidige Geschichte für die Gemeinde Weilerswist mit einem Vergleich beendet?

Wohl nicht. Denn einige Swap-Verträge laufen ja weiter. Sollte sich die Gemeinde also rauskaufen? Das würde abermals viel Geld kosten. Steigt sie aber nicht aus dem Geschäft , wachsen die aus den Geschäften resultierenden Verluste weiter. Die Politiker wollen sich sachkundig machen – und dann entscheiden.

 

 

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